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Veranstaltung

Axel Arndt: Stadtlandschaften und Anderes

Axel Arndt
Do., 10. März bis Mi., 13. April 2022
Vernissage: Do 10.03. 19.00 Uhr
Das Datum dieser Veranstaltung liegt in der Vergangenheit

Eine Ausstellung des Korber Künstlers Axel Arndt.
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Beschreibung

Axel Arndt, geboren 1941 in Berlin, gestorben 1998 in Waiblingen, lebte und arbeitete seit 1973 in Korb. Aufgrund seiner an den alten Meistern orientierten Malweise mit Eitempera und Harzöllasuren – in vielen seiner Bilder mehr als 10 Schichten übereinander – hinterließ er ein vergleichsweise kleines Oeuvre. Dieses jedoch hat in der Malerei nicht seinesgleichen, sowohl seiner Thematik als auch seiner meisterhaften Technik wegen.

Die Ausstellung im Kulturhaus Schwanen findet unter low budget - Bedingungen, das heißt vor allem mit einem Minimum an Zeitressourcen zu ihrer Vorbereitung, statt. Das Kulturhaus arbeitet ohne Kurator. Es geht ihm darum, einige Werke des Künstlers an dem Ort, an dem er hauptsächlich lebte, nach langer Zeit wieder einmal der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ein Blitzlicht auf ein paar Bilder, vor allem aus den Stadtlandschaften, zur Verfügung gestellt von Privatleuten, von Arndts langjährigem kongenialen Galeristen Rudolf Bayer und – nicht zuletzt – von Dagmar Bruckmann, Arndts Lebensbegleiterin (sie erstellte das Werkverzeichnis der Gemälde und betreut den archivalischen Nachlass). Die beiden Letzteren haben das „Bild-Set“ unseren Wünschen entsprechend zusammengestellt.

Dem Maler hätte der Ort der Ausstellung, die Bilderwand des Schwanen, gefallen. Axel Arndt hatte seiner ganzen Art nach etwas gegen große Bahnhöfe für ihn selbst und zu viele Anzugs- und Krawattenträger.  Er saß lieber in seiner Eckkneipe, der Krone, als gegenüber im schicken Lamm mit den teuren Stuttgarter Autos davor (beide in Korb-Steinreinach). Und eben nicht nur aus Gründen der Sparsamkeit. Er kam aus einem Kiez im hintersten Kreuzberg, und trotz aller Erfolge verkehrte er dort mit jedem auf Augenhöhe, dort wie in Steinreinach und überall.

Arndts Werke brennen sich wie erratische Findlinge in das Bildgedächtnis ihrer Betrachter ein, um vielleicht erst Jahre oder Jahrzehnte später ihre Fracht preiszugeben. Im Folgenden ein paar subjektive, von Assoziationen geleitete Bemerkungen zu einem Teil von Arndts Werk, den Stadtlandschaften. Nichts Kunsthistorisches, nichts Wissenschaftliches. Gedacht als mögliche, eben nur mögliche Anregungen zum Schauen. Zum „Anderen“ in der Ausstellung fehlt an dieser Stelle der Platz.

In seinen Stadtbildern drückt Arndt alles, was er sagt, in Architektur aus. Menschen mit Augen, Mündern, mit Mimik und Gesten, Verstummte, Schreiende, Verschwindende, Verschwundene: Geschichten und Geschichte – alles in Architektur gegossen, geronnen zu Stein und Zement. Eine erstarrte, zu einer mythischen Stadtlandschaft erstarrte Jetztzeit.
Diejenigen Menschen, die noch nach Menschen aussehen, treten auf Plakaten in Erscheinung oder als Statuen, als Zitate, baulich integriert. Wo sie in ihrer Gestalt nur noch entfernt Menschen ähnlichsehen, übertreffen sie, Jahre vor Darth Vader, diesen um Längen darin, Angst und Schrecken zu verbreiten. Arndts Vader sind aus massivem Stein oder Erz, tonnenschwer, mit stecknadelgroßen Köpfen und nach unten hin progressiv riesenhaft. Steinerne Gäste von heute.

Arndt zeigt Bilder einer Katastrophe. In diesen Städten kann keiner mehr landen. Kann einer im besten Fall überleben. Es sind aus den erstarrten Wassern (fast immer gibt es ein Meer, einen Kanal) ragende Bauten, Stadtburgen, gut gegen Wasser geschützte Städte, die längst untergegangen sind und wieder aufgetaucht zu sein scheinen. Alles vermauert, versteinert, unentzifferbar, unbetretbar. Abweisend, jahre-, jahrzehnte- und jahrhundertelang zugewachsen, nicht von Natur, sondern durch den Wildwuchs der Zivilisation. Maximale Entfremdung von dem, was der Mensch einmal hervorgebracht hat: Polis, Stadt der Bürger.

Der Mensch hat diese Städte geschaffen, Schicht über Schicht, immer größer, funktionaler und schöner. Doch um den Preis seiner kompletten Einsamkeit und Unbehaustheit. Humanes, was immer es sei, blieb auf der Strecke. Die Aufklärung und der wissenschaftlich-technische Fortschritt konnten Humanes nicht oder nicht genügend in sich binden. Statt ansprechend, zugänglich und begegnungsoffen sind die Bauten versiegelt, anthropophob. Sie tragen menschliche, doch menschenfeindliche Züge, sie haben sich dem ebensolchen Menschen gegenüber verselbständigt. Es sind Haus-Mensch-Maschinen, planungsintensive Stadt-Technik-Konglomerate, längst einer Planung im Sinn von Bürgergesellschaft enteilt, kryptisch, gefährlich.

Das in diesen Bildern alles bestimmende Prinzip ist die Identität von Wildwuchs und Erstarrung. Selbst Flugzeuge fliegen nicht, sie hängen wie in Bernstein gegossen am Himmel. Was fließt, sind Gletscher, wo Wasser in den Blick kommt, ist es, wie der Himmel, so homogen wie undurchdringlich: unbewegt und fremd ohne Ende.

Arndts Stadtbilder sind im doppelten Sinn eine Schreckensvision: Sie dokumentieren einen fortschreitenden Stillstand, eine Dystopie menschlichen Handelns, und sie sind gemalt im Schreckmoment deren Erkenntnis durch den Maler, mit gleichsam vor Schreck aufgerissenen Augen und stockenden Atem. Wer Axel Arndt kannte, kannte auch dieses sein Entsetzen, Qual und Wahrheitsquell in einem, neben seiner so angenehmen Heiterkeit. Axels gelöstes Lachen hallt bis heute nach.

Während Arndts Freund Franz Sequenc (dessen Bilder an gleicher Stelle unmittelbar vor der Arndt-Ausstellung zu sehen waren) Maschinen / Industrieanlagen und die von ihnen gestaltete Natur, das stille Lächeln oder, egal, Röcheln der Natur, malt, findet in Arndts Stadtlandschaften der Topos „Natur“ nicht so viel Platz. Die Stadt, die wild wuchernde, anthropomorph züngelnde Stadt hat weitgehend alles „Natürliche“ übernommen. Anstelle einer Platz habenden anthropozentrisch behandelten Natur kommt bei Arndt meist nur noch ein Rest davon vor. Ein mäßig schöner, nicht schriller, das Stadtbild nicht gefährdender Rest. Beiwerk. Im Grund gibt es nur noch Eines, die Metropole, so wie auch Stadt und Müll eines sind, Gestaltung und Entgleisung, Offenes und Verstelltes, Menschliches und Pervertiertes. Die Natur, als Anderes, spielt, selbst als vom Mensch behandelte, kaum mehr eine Rolle. Sie ist da, aber ruhig. Sediert.

So wie der Mensch. Bei Sequenc verschwindet der Mensch irgendwo zwischen Industrie und Abraumhalden, Schiff, Kanal und Schleuse. Man sieht die Leerstelle, vermisst ihn. Bei Arndt ist er überall, in jedem Haus, jedem Monument, jedem Turm und Detail. Alles latent animiert, nur eben nach einem unbekannten Programm. Deshalb, vermutlich, gibt es bei Arndt, als Vergewisserung des wohl existierenden Nichtarchitekturalen, zum einen Zitate der Menschengestalt, Zitate aus der Plakat-Werbung und aus der antiken Kunst. Zum anderen Bilder im Bild, gemalte Erinnerungen an Menschen und dann noch grotesk verzerrte Teilkörper oder Körperdetails als Teil der Häuserlandschaft. Arndts „Vader“ aber stellen innerhalb seiner Menagerie die äußerste Entfremdung oder Verdinglichung des Menschen dar, das Bedrohlichste in Reinform. Und dann sieht man, manchmal, eine „ganz normale“ Gestalt hinter einem Fenster. Halb verdeckt vielleicht durch einen Vorhang. Da ist er, der Stern am Himmel, der nicht am Himmel steht. Ein letzter Mensch, für den Maler meist eine Frau, letzter Kontaktpunkt in absoluter, existentieller Einsamkeit. „Metropolis“, die Metropole, war im Altgriechischen „Die bedeutende Stadt“, wörtlich „Mutterstadt“.

Der Schrecken ist in Zeiten des exponentiell wachsenden Fortschritts von Wissenschaft und Technik wohlgestalteter, subtiler und unsichtbarer geworden als jemals in der Geschichte. Doch der, der ihm standhält, sieht ihn und kann ihn manchmal sogar vor sich bringen.

So viel als reichlich kontingenten Stein des Anstoßes aus dem Schwanen. Ein Teil zumindest unserer Motivation, diese Ausstellung auf den Weg zu bringen. Großer Dank gebührt unseren Leihgebern. Sie ermöglichten, Teile von Arndts Werk temporär zu entprivatisieren und ihm so einen größeren Wirkungskreis zu ermöglichen!!

Bertold Becker
Cornelius Wandersleb

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Hinweise

Öffnungszeiten: Mo-Fr 9.00 - 16.00 und 17.00 - 22.00.

Sa 17.00 - 22.00.

Sonntags, an Feiertagen und in den Schulferien geschlossen.

Eintritt frei.


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